29. April 2011

Loch im Wortschatz: die "Entkinderten"

Manchmal fehlen uns Worte, weil sie nicht Teil unseres Wortschatzes sind. Sollte uns dies davon abhalten, fehlende Worte für bedeutsame Dinge auszudenken?! Nein, natürlich nicht, doch es ist ein langer und unwägbarer Prozess, bis eine privat gewählte Bezeichnung (Label) in den "semantischen Apparat" einer Gesellschaft einsickert und allgemein anerkannt wird.

Ein Hungriger, der sich den Bauch vollgeschlagen hat, ist "satt" geworden. Wir kennen dieses Etikett. Ist ein Durstiger, der viel Wasser getrunken hat, auch "satt"?! Steht "satt" für beide Entspannungszustände zugleich?! "Ich habe mich satt getrunken" klingt ungewohnt, ich habe es noch keinen Mitmenschen sagen hören. Ich fand die Situation unbefriedigend und suchte nach passenden Worten: Jemand, der seinen Durst gelöscht hat, ist "getränkt" bzw. "gestillt". Klingt irgendwie logisch: Nach dem Trinken ist man getränkt (oder werden nur Pferde getränkt?) und still (wie Babys an der Brust). Ich wagte sogar mal die Wortkreation "sutt", wobei der Buchstabe "u" in "Durst" vorkommt und "sutt" dem "satt" ähnlich wäre.

26. April 2011

Missionierung unerwünscht

Wieso versuchen Christen gern mit großem Eifer, jemanden wie mich von ihrem Glauben zu überzeugen? Das frage ich mich besonders, wenn ich z.B. "Zeugen Jehovas" regelmäßig meine Straße abschreiten sehe. Ich kenne keinen Gott, sondern weiß nur um die Natur und das Universum.

Die Internetrecherche ergibt: Die Christen als Besserwisser machen Werbung für ihre Religion, weil es einen Missionsbefehl von Jesu an seine Anhänger gab. Wir sollen Gottes Gebote befolgen. Wenn es "Gott" gäbe, würde ich annehmen, bräuchte es dieser Zuarbeit nicht. ER würde direkt mit mir Kontakt aufnehmen und mir einen Mitgliedsantrag austeilen. Ich wüsste gern, wozu Gott eine Schar von an ihn Glaubenden benötigt, also was er davon hat. Die Verbreitung des christlichen Glaubens ist wohl eher eine Eigennützigkeit der Kirche, vermute ich, denn eine große Gefolgschaft bedeutet Machtausübung auf Erden.

20. April 2011

Libyens Bürgerkrieg - kein arabisches Problem?

Mich erschrickt die veröffentlichte Zahl der Toten und Verletzten im lybischen Bürgerkrieg, nachzulesen bei SPIEGEL Online, natürlich auch. Glaubt man den Angaben der Aufständischen, dann sind seit dem Beginn der Kämpfe bisher 10.000 Menschen gestorben und bis zu 55.000 verwundet worden. Der Kriegspartner NATO wurde von den Rebellen aufgefordert, härter durchzugreifen, um Zivilisten zu schützen. Die Lage scheint klar zu sein: Gaddafis Truppen stehen kurz vor dem Sieg gegen die ostlibysche Oppositionsbewegung.

Mich irritieren zwei Dinge:

18. April 2011

Macht des Körpers

Es gibt traurige Schicksale, die sich potenzieren, wie im Beispiel der Sendung "Liebe außer Atem" (WDR-Podcast) aus der Reihe "hautnah". Hier heirateten zwei junge Erwachsene über 30, die beide (!) an Mucoviscidose leiden, einer erblichen Stoffwechselerkrankung, die irgendwann Lunge oder Bauchspeicheldrüse zur Aufgabe zwingt. Aline und Christian haben beide mit zähem Schleim in der Lunge zu kämpfen und wissen, dass sie keinesfalls das Rentenalter erreichen werden. Aline, eine starke, lebensfrohe, humorvolle Frau, ist in einem noch früheren Stadium der Krankheit und unterstützt ihren geschwächten, in Lebensgefahr befindlichen Mann Christian, der sich einer riskanten Lungentransplantation unterziehen lässt. Das Ende des Films sei hier verraten, weil es nicht um Spannung geht, sondern um das Inhalieren der biologischen Realität: Er starb einige Tage später an den Komplikationen.

17. April 2011

Schneeglöckchen

Als ich dieses Jahr Schneeglöckchen in Masse erblickte, ging mir durch den Kopf: Was wollen sie mir mit ihrer Anwesenheit sagen? Ja, es war eine "Bande" von unscheinbaren weißen Blüten an einem Hang. Sie sind nunmal die Vorreiter aller Blumen eines neuen Jahres. Doch sie sind unter sich, irgendwie allein. Keine Bienen, die sie besuchen bzw. sich ihrer bedienen. Sie sind eher kurz lebendig, sind Ankündigung und Versprechen zugleich. Sie sind Schwerarbeiter, weil sie sich aus der harten Erde herausstoßen müssen. Wenn sie da sind, winken sie nicht, so bescheiden wirken sie, sie haben immer eher hängende Köpfe, ohne Spannkraft. Sie fallen kaum auf, falls noch Schnee liegt. Mir ist, als seien sie zu früh da, also Frühchen, die sich in der Jahreszeit verirrt haben. Eigentlich sind sie einmalig, weil sie die Allerersten sind und keine Konkurrenten besitzen. Dennoch weiß ich nicht, was sie wollen können in dieser Restkälte und Tristesse der schlafenden, ungeborenen Natur. Wisst ihr es?

15. April 2011

Staffelübergabe

Ich sah neulich im Internet ein Foto mit glücklichen Eltern zwischen 35 und 40, die zwei Säuglinge (Zwillinge?) im Arm trugen. Sie lachten in die Kamera. Doch ich dachte nur: So sieht der Anfang vom Ende ihres Lebens aus, sie haben ihr Ziel erreicht und damit überschritten. Solange ich keine Kinder gezeugt habe (und ich bin noch kinderlos), bleibt noch etwas zu erledigen, zumal ich Spätzünder bin. Einerseits ist es doch schön, wenn eigene Kinder einem das Gefühl vermitteln, man sei wichtig und mächtig; ich darf mich bekannt machen mit dem Produkt der Mischung meiner Gene mit denen meiner Liebsten, mit dem Kind als Zeugnis einer Paarbindung. Vermutlich käme jetzt ein Aufschrei, da Kinderkriegen etwas Natürliches, Altruistisches, Nicht-Strategisches sein sollte. Andererseits habe ich mit der Geburt des ersten Kindes den Staffelstab der Generationen weitergereicht, habe ich mich quasi selbst abgelöst und hinfällig gemacht. Die Fortpflanzung hat ihren Preis. Mir wird bewusst, dass sich ein Teil von mir mit diesem Kind verselbständigt und etwas mich verlässt: die eigene, scheinbar ewige Kindheit und Unbekümmertheit.

Klar, die Kinder können zuanfangs nicht allein überleben,sie brauchen Schutz und Anschub(-finanzierung). Aber ich sah diese beiden Elternteile und zugleich einen absteigenden Ast vor mir hängen. Es gibt kein Zurück, dafür jedoch Verantwortung. Ein gern vollzogener Pflichtdienst im Rahmen der Evolution, ein Betreuungsverhältnis zum Zwecke der Altersvorsorge und des Egoismus. Zu mir sagte mal eine Bekannte: "Ich will ein Kind, damit ich eine Generation weiter rücke und mich erwachsen fühle, von der Mutter ernster genommen und nicht mehr zur Kind-Generation gehörend". Egoismus gehört zur eigenen psychischen Gesundheit, keine Frage. Wir feiern etappenweise Abschiede von den sog. Statuspassagen, den Eckpunkten der Biographie und das Einnehmen der Elternrolle gehört mit dazu. Es ist ein Schritt in Richtung "Reife und Tod". Einige von uns begrüßen sicherlich die Position des Leben-Schenkers - und doch wird uns diese Portion Leben, die wir abgeben, am Ende, wenn nicht fehlen, so doch schmerzlich bewusst. Wir können die Kinder nicht überleben, sondern werden von ihnen am Sterbebett getröstet.

Ich sah diese Eltern und fragte mich, wann es mit mir soweit ist.

14. April 2011

Fukushima als Erinnerungsbeben

Die japanische Atomkatastrophe von Fukushima 2011, eine Fortsetzung von Hiroshima mit anderen Mitteln, hat mich an meine traumatischen kleinen Erfahrungen mit Tschernobyl erinnert:

Ich saß damals im April 1986, als der Reaktor explodierte, in meinem Kinderzimmer. Ich war 13. Die pure Angst schlüpfte plötzlich aus meinem zufällig laufenden Kofferradio, erzeugt von dem Narr "Physik". Die Botschaft hieß, es sei ein verstrahlendes Unglück geschehen, aber keiner sei in der DDR gefährdet. Ich glaubte jedoch dem technisch erweiterten und illusionären Empfindungsvermögen des Menschen nicht. Es kam mir vor, als flimmere schon die Luft um mich herum, als würden mich Röntgengeschosse durchschießen. Für die Ewigkeit. Und ich erkannte meine nichtssagende Unschuld. Die Zukunft schien ausgelöscht. Ich wähnte einen dunklen Koloß über mir schwachem Elektron. Ich bekam intensive Bilder von meinen Schulfreunden vor Augen, die ich mochte und die vielleicht in diesem Moment nicht einmal etwas ahnten. Ich stand dem Weinen nah. Kein Abschied von meiner Familie war möglich. Niemand da zum Trost, nicht bei dem letzen Anblick dessen, was in Sekundenschnelle ins Ende rasen wollte, mich in ein schwarzes Loch katapultierte, ohne zu fragen. Ungekannte Panik. Todesangst in der Einsamkeit. Ich suchte Schutz an der Wand unterhalb des vertrauten Fensterbretts. Mir fiel einiges vom Notrettungslatein ein, von etwaiger Absorbierungs- und Schutzmöglichkeit via Mörtel und Stein, über das Fernsehen gelernt. Niederhocken und verstecken als hilflose Reaktion. Ich erwartete die dauerhaft heulenden Sirenen in meiner Straße, den gefürchteten Abgesang aufgrund des Kalten Krieges, den Super-GAU, der dem Tag harte Realität attestiert hätte. Aber das geschah nicht. Und so wartete ich auf meine Familie und hörte stundenlang Radio, bis die Entwarnung kam.

Gäbe es keine Massenmedien, hätte ich damals wie heute nichts von diesen Verstrahlungs-Unglücken mitbekommen. Ich hätte aufgrund der großen Entfernung nichts gespürt. Durch die vernetzte Welt wurde ich jeweils in das Miterleben gezwängt.

Willkommen in meinem Blog

Ich hatte mal vor einigen Jahren ein Internetforum eröffnet, das den hochgestochenen Titel "Liebe, Semantik und intime Systeme" trug. Es sollte eine Plattform bieten für eine Diskussion über Liebe und deren wissenschaftlichen Kontexte. Soziologie ist dabei nur eines der vielen Fachgebiete, die sich mit diesem zwischenmenschlichen Phänomen beschäftigen.
Leider entstand trotz einiger Beiträge kein echter und ernsthafter Austausch über das Thema "Liebe". Das Forum war eher schwach frequentiert und zumeist schrieb nur ich. Aus Enttäuschung schloss ich dann das Forum.
Nun versuche ich es auf´s Neue, jedoch mit größerer Themenvielfalt, denn im Blog kommt es ja zuallererst auf meine Meinungsäußerung an, ohne Abhängigkeiten vom Engagement weiterer Autoren. Auf Kommentare freue ich mich natürlich riesig.
Ich möchte einfach mein Wort erheben in dieser Welt: 
Ohne Moralkeule, mit Augenzwinkern.