20. Februar 2025

Unanständiger Tod

Ich denke über den Tod gewöhnlich nicht in Kategorien wie gut oder schlecht, Freund oder Feind. Doch neulich habe ich ihn als unanständigen Sadisten erlebt.

Er hat meinem atheistischen Vater voriges Jahr einen inoperablen Pankreastumor eingepflanzt und ihn im September davon wissen lassen. Ende Dezember hauchte Steffen Rahde laut meiner Mutter buchstäblich sein Leben aus.


Auch wenn ich 3-4 Monate Abschiedszeit geschenkt bekam, die ich auch nutzte, so bin ich ob der Brutalität des Sterbens ungehalten. Der Tod nahm Steffen nicht einfach zu sich, sondern er entstellte, entblößte und quälte ihn während seines Wartens auf die Erlösung. Mein Vater wurde stetig geschwächt, indem er verhungerte. Sein Körper war eine Mine, die radikal abgebaut wurde und die Statur schmolz dahin wie Schnee, weil zuerst das Essen und später das Trinken immer unmöglicher wurden. Am Ende sah er fast nicht mehr aus, wie er vorher war.


Wieso musste Steffen in den letzten Wochen entmenschlicht und gedemütigt werden? Ich verstehe das biologische Transformationskonzept hinter dem Tod nicht, den langsamen Zerfall als Notwendigkeit. Der Körper als Maschine musste erst so weit verschleißen, bis er nicht anders konnte als zu versagen. Jetzt verstehe ich solche Metaphern wie „in den Tod getrieben“ sowie Worte wie „verrecken“ und „krepieren“.


Mein Vater nahm das Sterben hin, weil er froh war, nach seinem ersten Krebs 16 Jahre lang weiter leben zu dürfen. Er hatte gehofft, im Schlaf zu gehen, doch er musste täglich erneut im Spiegel ein Gesicht rasieren, das zu einer Mumie wurde. In seiner Tapferkeit war er mir Vorbild.