6. August 2015

Spuren hinterlassen

Als ich heute gefragt wurde, wie mein Urlaub gewesen ist, sagte ich unter anderem: "Die Leute in Italien waren sehr hilfsbereit und nett."

Wenn ich meine Antwort im Nachhinein bedenke, dann fällt mir auf, dass ich eigentlich gesagt habe, das Auftreten fremder Menschen hat mich beeindruckt und ich habe es nach einigen Tagen noch nicht vergessen. Sie haben kleine Spuren in mir hinterlassen. Dabei mag es ihnen egal gewesen sein. Sie hatten nicht gemerkt, wie ihr Verhalten bei mir ankam. Kürzeste Begegnungen werden manchmal dauerhaft gespeichert, obwohl es nicht beabsichtigt war und eigentlich nicht der Rede wert.

Es gab damals Zeiten, da wollte ich bei bestimmten Menschen einen bleibenden Eindruck hinterlassen und hatte es nicht geschafft. Und wenn ich es nicht wollte oder wusste, dann konnte es passieren, dass ein Spruch oder eine Geste meinerseits das Leben eines anderen berührte und mächtig schubste.

In schweren Zeiten würde es gut tun zu erfahren, in wie vielen Köpfen Situationen herumschwirren und wieder mal in das Bewusstsein treten, die man selbst ausgelöst und begleitet hatte. Da denken fremde Menschen an mich, weil etwas mit und an mir unvergessen gewesen war. Wir hinterlassen sichtbare und unsichtbare Spuren im Gedächtnis.

Umgekehrt frage ich mich, ob die Einheimischen in Kalabrien, denen ich vorige Woche unterwegs oder im Hotel flüchtig begegnete, ein klein wenig von mir in in ihren Erinnerungen bewahrten. So hatte ich ein Pärchen am Strand mit Zeichensprache gefragt, ob ich den Schatten ihres Sonnenschirmes nutzen darf, weil sie ihn nicht brauchten. So hatte ich einen Kioskbesitzer am byzantinischen Ziegelkirchlein in Silo darauf aufmerksam gemacht, dass er in unserem Reiseführer namentlich erwähnt wurde. So hatte ich den Kellner, der jeden Abend aus unterschiedlichen Richtungen kommend an unseren Tisch trat, aus Spaß gebeten, er möge nun noch über den Balkon nebenan zum Bedienen kommen, dann wären alle Richtungen ausgereizt. Leider erfahre ich nicht, in wem etwas von den kurzen Szenen mit mir weiterlebt.

Wir alle erahnen nicht, inwieweit wir für andere prägend waren. Es gibt keine Verantwortlichkeit und Autorenschaft für Handlungen, die wir mit anderen vollzogen haben und die längst unserer Macht entschwunden sind. Eigentlich schade!


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