28. März 2020

Fuck you, Corona!

Ich lebe zuhause in einer Blase. Das unsichtbare Virus ist sehr abstrakt, ich erkenne es nicht als Feind. Bin froh, dass die Korona der Sonne nicht stirbt. Ich kenne noch niemanden, der von Corona heimgesucht wurde und doch prüfe ich täglich, nein, stündlich, ungläubig die steigenden Zahlen der Todesfälle. USA auf Platz 1 wie erwartet. Draußen kaum Autoverkehr, dafür gesündere Luft. China hat das Virus bei sich in den Griff bekommen. Wird es bei uns in D. auch bald klappen?!

In meiner Blase wirkt der globale Lockdown wie ein Mythos. Ich bin im Homeoffice und der Job läuft rund. Ich bin nicht im Schützengraben des Virus. Ich laboriere am Heuschnupfen und dessen Reizhusten. Ich frage mich, was ich angesichts des weltumspannenden Dramas um Leben und Tod denken soll. Wäre ich prominent, würde ich in eine Kamera blicken und sagen "Hände waschen und Abstand halten".


Ab und zu gehe ich meine Blase entleeren und bin froh, nicht betroffen zu sein. Glück und Zufall. Ich versuche den durch Mutation gefährlich gewordenen Virus ernstzunehmen und staune über die Domino-Katastrophe. Warum sterben gesunde Menschen an so einem winzigen Krankheitserreger, der eine Überreaktion und einen Kollaps des menschlichen Organismus in Form einer Entzündung provoziert?! Ich fühle mich privilegiert und relativ sicher, weil wir über eines der besten Gesundheitssysteme verfügen. Und doch spielt das Virus russisches Roulette mit uns.

Was soll ich empfinden? Ich bin geschockt, alarmiert und beschämt. Ich verstehe den Bio-Krieg von Covid-19 gegen meinesgleichen nicht. Wenn ich an Gott glauben würde, hätte ich ihn längst gefragt, was die Daseinsberechtigung von tödlichen Viren ist. Es ist schwer, die Opferzahlen einzuordnen, wo es doch so viele Statistiken gibt (Morde, Krankheiten, Unfälle), die den Tod als unseren Lebensbegleiter nachweisen. Niemand soll sterben müssen.

Ich sitze auf meinem Bett. als wäre er der Mars, schreibe diese Zeilen bei einem Glas Rotwein und denke, es geht mir zu gut. Ich kann nicht helfen, nur den unbekannten Todesopfern gedenken. Rund 30.000 Todesfälle passen in eine mittlere Kleinstadt. Ist das viel oder wenig?! Die Resultate von Kriegen und schlimmeren Pandemien scheinen schwerer zu wiegen. Wie würde ich darüber "denken", nachdem mich Corona hinweggerafft hätte? Ist Weinen über die anderen angebracht?! Dafür müsste ich das Ganze an mich heranlassen, doch ich ruhe in dieser Blase. Selbstschutz. Keine Demo, keine Spende würde Corona vertreiben. Ich bin hilflos, überfragt, befremdet. Passiver Zuschauer.

Ich zwinge mich zum Innehalten, konfrontiere mich mit den Videos von den Schicksalen der Corona-Opfer. Als müsste ich teilnehmen, als würde ich etwas verpassen. Ich bin ein Voyeur am Rande des Geschehens. Einmischen bringt nichts, doch ich will nicht gleichgültig sein, obwohl die maximale Distanzierung mich fernhält, betäubt, schützt. Letztlich tue ich nur eines, was niemandem hilft: Ich halte mich heraus und bedauere das Leid der Betroffenen. Fuck you, Corona!

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