14. Juni 2011

Neuester Skandal in der Schachpolitik

Schach ist bekanntlich ein Denksport und ich liebe als aktiver Fernschachspieler dieses entgrenzende Spiel. Doch als ich auf Tagesschau online las, dass der Vorsitzende des Weltschachverbands (FIDE) Kirsan Iljumschinow am 12.Juni den lybischen Noch-Machtinhaber Muammar Gaddafi in Tripolis traf und mit ihm eine Partie Schach spielte, schämte ich mich für die eigene Verbandsführung (siehe meine Wortmeldung im Schachforum CSS). Haben Iljumschinow & Co. etwa ihre Gehirnzellen verspielt oder verkauft?!

Der Skandal liegt nicht etwa darin, dass beide gemäß des offiziellen Fotos anscheinend mit den weißen Steinen spielten (einer muss die schwarzen Steine führen) und Iljumschinow dem Gaddafi ein Unentschieden in der Partie schenkte (wenn der Anfänger Gaddafi wenigstens verloren hätte). Nein, auf der Homepage der FIDE wurde der Besuch auch noch stolz als Top-Artikel verkündet und zugleich wurde er von der lybischen Regierung für seine Zwecke missbraucht. Denn alles war im lybischen Staatsfernsehen gezeigt worden und kam so (zum Glück?!) erst an die Öffentlichkeit.

"Business as usual" sollte man meinen, denn das Ganze geschah im Rahmen des ausgerufenen "Africa Year 2011" und der hierfür organisierten Rundreise. Dennoch zeigt diese illegitime Aktion, die mittlerweile in den Massenmedien Wellen schlägt, obwohl man sie auch hätte totschweigen können, wenig politisches Fingerspitzengefühl und stellt eine äußerst schlechte Werbung für das Schach dar! Hoffentlich ist diese Selbstentlarvung der FIDE-Führung als zum Teil undemokratische und korrupte Riege (so zumindest der Eindruck bei vielen Schachspielern in der Szene) zu etwas nütze. Ich verstehe die Gründe der FIDE für das Treffen mit dem Geächteten nicht. Vermutlich ging es um geschäftliche Angelegenheiten rund um Turnieraustragungen etc. Dies rechtfertigt nicht die Aufwertung eines Diktators. Im Artikel von Stern online erfährt man etwas mehr zu den Gründen: Laut eigenen Aussagen war es Iljumschinow wichtig, "Gaddafi für die Förderung des Schachs in Libyen zu danken" und "als Sportler" gegen ihn zu spielen. Staatspräsidenten müssen wohl automatisch zusammenhalten?!

Ich bin gespannt, ob dieser Fehltritt die richtigen Konsequenzen nach sich zieht. Der umstrittene und bekanntermaßen skurrile Kirsan Iljumschinow, der bis voriges Jahr noch Präsident des osteuropäischen Staates Kalmückien war, gehört endlich abgesetzt! Jetzt wissen wir, wie er tickt. Es hat schon seinen Grund, warum ich seit ein paar Wochen (fast) nur noch Go spiele.

Update: Es gibt auf Chessbase mittlerweile einen Videoausschnitt von der Schach-Show zu bestaunen. Die Herrschaften spielten anscheinend mit gold- und silberfarbenen Figuren.

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