31. Januar 2014

Mein ultimativer Test auf Selbstehrlichkeit

Ich habe einen ultimativen Test auf Selbst-Ehrlichkeit für mich gefunden.

Man stelle sich vor: Ich spiele Fernschachturniere über einen Schachserver im Internet, bei denen ich keine Schachmotoren einsetzen darf. Fernschach heißt, ich habe im Durchschnitt 4 Tage pro Zug Zeit. Dabei darf ich in diesen speziellen Turnieren den Computer nicht an meinen Schachzügen rechnen lassen, weil das unfair gegenüber den anderen Turnierteilnehmern wäre. Auch würde ein solcher Zug, der durch fremde Hilfe gefunden würde, keine Eigenleistung dartellen. Ein auf diese Weise errungener Sieg würde schal schmecken, er wäre unverdient. Gerade darum geht es ja bei dem erklärten Verzicht auf Engine-Unterstützung. Alle Beteiligten vertrauen darauf, dass niemand Schachcomputer befragt, sondern dass jeder sein Hirn anstrengt. Das bringt natürlich Spielfehler (Blunder) mit sich.

Es ist sehr verlockend, sich heimlich von den Rechenmonstern, die fast so stark wie der Weltmeister spielen, beraten zu lassen.  Es ist schwer, den anderen zu vertrauen. Jedes Mal schwingt die Angst und der leise Verdacht mit, der Mitspieler hat diesen oder jenen coolen Zug nicht allein ausgebrütet.
Und nun kommt mein Test ins Spiel. Ich bin von Natur aus sehr neugierig und möchte am liebsten wissen, ob ich den richtigen Angriffs- oder Verteidigungszug gefunden habe. Die Schachmotoren in den Schachpogrammen verraten per Zahl den Stand in der Partie, denn sie geben an, ob man in der entsprechenden Schachstellung Vorteil hat oder zurückliegt, ja, ob sogar ein Matt droht. Außerdem geben sie eine Zugfolge an, wie die Partie ab der aktuellen Stellung weitergehen könnte, indem Weiß und Schwarz abwechselnd bestimmte Züge machen.Die besten Fortsetzungen! Ich werfe also die Schachengine an, lasse sie warm laufen und schlunze auf die Stellungsbewertung in Form einer Zahl. 0.00 besagt, die Stellung ist ausgeglichen (gleich), Pluswerte bedeuten, Weiß hat eine bessere Stellung, Minuswerte drücken eine vorteilhafte Stellung für Schwarz aus. +3,5 würden z. B. anzeigen, dass ich als Weißspieler eine so gute Stellung habe, dass ich quasi 3,5 Bauern mehr mehr als der Gegner  habe.

Ich will also wissen, wo ich stehe, aber nicht, welcher Antwortzug von hier hätte folgen müssen. Betrug! Betrug? Ich lege mich vor dem Einblick in die Stellungsbewertung auf einen Zug fest! Felsenfest. Egal, was der Schachmotor über meine Spielstärke sagt, ich werde meinen Zug ausführen. Wenn ich also durch die Zahl mitbekomme, dass ich mies stehe und am Verlieren bin, wenn der Gegner sich nicht noch einen groben Schnitzer erlaubt, ist das bitter. Aber ich will und muss zu meinem Zug stehen! Ich könnte umschwenken und einfach nach einem besseren Zug Ausschau halten und immer wieder nachschauen, wie die Schachengine ihn findet. Aber ich bleibe hart und melde meinen Zug. Weil: Unehrlichkeit ist tabu für mich. Ich spüre dies in mir. Ich stehe zu meinen Schwächen. Ich muss es. Ich möchte nicht betrügen. Es würde meine Leistung korrumpieren. Gerade dieser Verführung zu widerstehen und sehenden Auges eine Niederlage zu erlangen ist mir eine Menge wert. Ich würde mir nicht in die Augen schauen können, wenn ich  mich selbst betrüge. Das geht nicht! Und es tut gut zu sehen, wie tapfer ich Schwächen eingestehe und verliere. Ein süßer Schmerz. Lernen aus Fehlern ist die Devise. Es muss auch ehrliche Unterlegene geben, es kann nicht jeder gewinnen. In diesem Sinne: der Bessere möge gewinnen.


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