18. April 2011

Macht des Körpers

Es gibt traurige Schicksale, die sich potenzieren, wie im Beispiel der Sendung "Liebe außer Atem" (WDR-Podcast) aus der Reihe "hautnah". Hier heirateten zwei junge Erwachsene über 30, die beide (!) an Mucoviscidose leiden, einer erblichen Stoffwechselerkrankung, die irgendwann Lunge oder Bauchspeicheldrüse zur Aufgabe zwingt. Aline und Christian haben beide mit zähem Schleim in der Lunge zu kämpfen und wissen, dass sie keinesfalls das Rentenalter erreichen werden. Aline, eine starke, lebensfrohe, humorvolle Frau, ist in einem noch früheren Stadium der Krankheit und unterstützt ihren geschwächten, in Lebensgefahr befindlichen Mann Christian, der sich einer riskanten Lungentransplantation unterziehen lässt. Das Ende des Films sei hier verraten, weil es nicht um Spannung geht, sondern um das Inhalieren der biologischen Realität: Er starb einige Tage später an den Komplikationen.


Es ist eine Dokumentation über das vorzeitige Sterben aufgrund von Sauerstoffarmut, aber auch über das Zusammenhalten im gemeinsamen Leiden am erwartbaren Organversagen. Unwillkürlich fragte ich mich, weshalb sich hier zwei arg Betroffene so eng miteinander verbunden haben. Was tun sie sich nur an?! Eine der Beiden bleibt nach dem aussichtslosen, miterlittenen Kampf des anderen, der immerhin dem Tod einige qualvolle und wertvolle Jahre abtrotzt, zurück, muss den Verlust nach der Beerdigung verkraften und in sich die Kraft finden, weiterzumachen, obwohl sie den Ablauf der Krankheit anschaulich vorgemacht bekam.

Was ist besser: einen Nicht-Betroffenen zum Partner zu nehmen bzw. allein zu bleiben, weil sich kein Normalsterblicher dieser Odyssee aussetzen möchte oder einen Leidensgenossen zu lieben, den man beizeiten verliert? Wo die Liebe als positive Bewertung eines Du hinfällt. Ein gesunder Partner hingegen bleibt zwar auch allein zurück, aber er kann neu anfangen, vielleicht eine Familie gründen... So dachte ich noch während des traurigen Films. Im Anschluss überlegte ich erneut: Wenn zwei Personen mit gleicher Krankheit sich lieben, dann verstehen sie einander und es werden zwei Unbedarfte nicht mit hineingezogen in diese Welt des jahrelangen Leidens und Bangens. Doch letztlich sind dies bloße Gedankenspiele eines Unbeteiligten, der rein rational urteilt, wo es bei den Liebenden um die Ertragbarkeit eines befristeten Lebens mit Glücksmomenten geht.

Mich erinnerte diese Dokumentation vor allem daran, dass unser Körper eine empfindliche, geborgte Maschine ist, von der wir absolut abhängig sind. Solange sie wie geölt funktioniert, ist alles in Ordnung, sobald sie in Teilen ausfällt, wird das Leben kostbarer erlebt und wird die Psyche mit dem Tod konfrontiert. Wir stürzen aus der "Wolke" in das Verdrängte hinein. Ohne den Körper als Träger und Hülle kann unser Bewusstsein sich nicht erhalten und bewegen. Es ist diese Symbiose und Freundschaft von Körper und Geist, die mit der Geburt geschmiedet wurde und ein Ablaufdatum hat. Es ist ein Lottospiel: Wer bekommt durch welche Gene und Umwelteinflüsse einen anfälligen oder robusten Körper?! Wir entkommen dieser geheimen körperbezogenen Vorprogrammierung nicht und der Körper ist wohl der mächtigere Partner, der unsere Identität zum Zuschauer degradiert.

Ich empfehle das Anschauen dieses eindringlichen, intimen Films über zwei Helden wider Willen, der nachdenklich stimmt und das Thema "sich steigernde Krankheit mit Todesurteil" behandelt.

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