14. April 2011

Fukushima als Erinnerungsbeben

Die japanische Atomkatastrophe von Fukushima 2011, eine Fortsetzung von Hiroshima mit anderen Mitteln, hat mich an meine traumatischen kleinen Erfahrungen mit Tschernobyl erinnert:

Ich saß damals im April 1986, als der Reaktor explodierte, in meinem Kinderzimmer. Ich war 13. Die pure Angst schlüpfte plötzlich aus meinem zufällig laufenden Kofferradio, erzeugt von dem Narr "Physik". Die Botschaft hieß, es sei ein verstrahlendes Unglück geschehen, aber keiner sei in der DDR gefährdet. Ich glaubte jedoch dem technisch erweiterten und illusionären Empfindungsvermögen des Menschen nicht. Es kam mir vor, als flimmere schon die Luft um mich herum, als würden mich Röntgengeschosse durchschießen. Für die Ewigkeit. Und ich erkannte meine nichtssagende Unschuld. Die Zukunft schien ausgelöscht. Ich wähnte einen dunklen Koloß über mir schwachem Elektron. Ich bekam intensive Bilder von meinen Schulfreunden vor Augen, die ich mochte und die vielleicht in diesem Moment nicht einmal etwas ahnten. Ich stand dem Weinen nah. Kein Abschied von meiner Familie war möglich. Niemand da zum Trost, nicht bei dem letzen Anblick dessen, was in Sekundenschnelle ins Ende rasen wollte, mich in ein schwarzes Loch katapultierte, ohne zu fragen. Ungekannte Panik. Todesangst in der Einsamkeit. Ich suchte Schutz an der Wand unterhalb des vertrauten Fensterbretts. Mir fiel einiges vom Notrettungslatein ein, von etwaiger Absorbierungs- und Schutzmöglichkeit via Mörtel und Stein, über das Fernsehen gelernt. Niederhocken und verstecken als hilflose Reaktion. Ich erwartete die dauerhaft heulenden Sirenen in meiner Straße, den gefürchteten Abgesang aufgrund des Kalten Krieges, den Super-GAU, der dem Tag harte Realität attestiert hätte. Aber das geschah nicht. Und so wartete ich auf meine Familie und hörte stundenlang Radio, bis die Entwarnung kam.

Gäbe es keine Massenmedien, hätte ich damals wie heute nichts von diesen Verstrahlungs-Unglücken mitbekommen. Ich hätte aufgrund der großen Entfernung nichts gespürt. Durch die vernetzte Welt wurde ich jeweils in das Miterleben gezwängt.

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