15. April 2011

Staffelübergabe

Ich sah neulich im Internet ein Foto mit glücklichen Eltern zwischen 35 und 40, die zwei Säuglinge (Zwillinge?) im Arm trugen. Sie lachten in die Kamera. Doch ich dachte nur: So sieht der Anfang vom Ende ihres Lebens aus, sie haben ihr Ziel erreicht und damit überschritten. Solange ich keine Kinder gezeugt habe (und ich bin noch kinderlos), bleibt noch etwas zu erledigen, zumal ich Spätzünder bin. Einerseits ist es doch schön, wenn eigene Kinder einem das Gefühl vermitteln, man sei wichtig und mächtig; ich darf mich bekannt machen mit dem Produkt der Mischung meiner Gene mit denen meiner Liebsten, mit dem Kind als Zeugnis einer Paarbindung. Vermutlich käme jetzt ein Aufschrei, da Kinderkriegen etwas Natürliches, Altruistisches, Nicht-Strategisches sein sollte. Andererseits habe ich mit der Geburt des ersten Kindes den Staffelstab der Generationen weitergereicht, habe ich mich quasi selbst abgelöst und hinfällig gemacht. Die Fortpflanzung hat ihren Preis. Mir wird bewusst, dass sich ein Teil von mir mit diesem Kind verselbständigt und etwas mich verlässt: die eigene, scheinbar ewige Kindheit und Unbekümmertheit.

Klar, die Kinder können zuanfangs nicht allein überleben,sie brauchen Schutz und Anschub(-finanzierung). Aber ich sah diese beiden Elternteile und zugleich einen absteigenden Ast vor mir hängen. Es gibt kein Zurück, dafür jedoch Verantwortung. Ein gern vollzogener Pflichtdienst im Rahmen der Evolution, ein Betreuungsverhältnis zum Zwecke der Altersvorsorge und des Egoismus. Zu mir sagte mal eine Bekannte: "Ich will ein Kind, damit ich eine Generation weiter rücke und mich erwachsen fühle, von der Mutter ernster genommen und nicht mehr zur Kind-Generation gehörend". Egoismus gehört zur eigenen psychischen Gesundheit, keine Frage. Wir feiern etappenweise Abschiede von den sog. Statuspassagen, den Eckpunkten der Biographie und das Einnehmen der Elternrolle gehört mit dazu. Es ist ein Schritt in Richtung "Reife und Tod". Einige von uns begrüßen sicherlich die Position des Leben-Schenkers - und doch wird uns diese Portion Leben, die wir abgeben, am Ende, wenn nicht fehlen, so doch schmerzlich bewusst. Wir können die Kinder nicht überleben, sondern werden von ihnen am Sterbebett getröstet.

Ich sah diese Eltern und fragte mich, wann es mit mir soweit ist.

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