10. Juli 2011

Parallele von Formel 1 und Computerschach

Ich mag Formel 1 überhaupt nicht, schaue es nicht an und kann daher auch nicht mitreden. Oder doch?!

Mich stört am Motorrennsport der Vorrang der Technik vor den Leistungen des Fahrers, obwohl ich durchaus ein Technik-Fan bin! Wenn es nach mir als Menschenfreund ginge, würde ich alle Teilnehmer in identische Boliden stecken und dann ermitteln, wer die besten Fahrkünste besitzt. So läuft es doch beim Go-Kart-Fahren mit Freunden, oder?! Doch leider gibt es keine solche Gleichheit. Es hat jener Rennstall Vorteile, der es mit erlaubten, verbotenen oder heimlichen Mittel schafft, seinen Schlitten am schnellsten zu machen. Beim Sieger weiß ich leider nicht, warum er genau gewonnen hat. Der neueste Fall eines Auspuffkrieges möge veranschaulichen, was ich meine. Man könnte durchaus die beste Technik auszeichnen, indem die Testläufe ohne Steuerfrau in einem Labor stattfinden. So wissenschaftlich ist der Rennsport natürlich nicht und das Wetter ist neben versagenden experimentellen Autoteilen gern der Spielverderber.

So ähnlich verworren läuft der Konkurrenzkampf im Computerschach ab! Dort treten sog. Engines, also Schachmotoren, die die nächsten Züge per Zuggenerator, Stellungsbewertung usw. errechnen, in tausenden Spielen per Match gegeneinander an und es ergeben sich daraus Ranglisten wie z. B. die CEGT-Liste. Auch wenn ich gern gesehen hätte, welcher Programmierer (Mensch!) im Kern den besten Code geschrieben hat, so mischen sich weitere Faktoren hier ein: die Eröffnungsbücher, Endspieldatenbanken, die Anzahl der Prozesoren usw. Klar wollen die Schachenthusiasten gern gegen die stärkste Schachsoftware antreten, am liebsten zuhause. In Engine-Turnieren etwa trifft man dann automatisch auf Ungerechtigkeiten: Da spielt Engine A von Herrn Schmidt mit einem 24 Core-Cluster, gesponsert von Herrn Schuster, und einem speziellen Eröffnungsbuch von Herrn Becker gegen Engine B von Herrn Müller mit dessem Dualcore-Laptop und einem überall käuflichen Standard-Eröffnungsbuch an. Am Ende gewinnt, welch Überraschung, Engine A, die beste Kombination aus diesen Bestandteilen. Dies löst dann ein Wettrüsten aus.

Formel 1 und Computerschach haben m. E. eines gemeinsam: Innerhalb der Wettkampf-Disziplinen werden "Äpfel" mit "Birnen" verglichen und wir wissen nicht, welcher Faktor jeweils den Ausschlag gab. Ich finde dies nicht spannend. Um nicht missverstanden zu werden: Es kann durchaus reizvoll sein, alle zusammen wirkenden Aspekte zu optimieren und herauszufinden, in welche Dimensionen wir bei der Rekordjagd vorstoßen können. Hinter technischen Meisterleistungen stehen wiederum Mitmenschen. In einem sportlichen Wettstreit sollten aber halbwegs faire Bedingungen herrschen und somit klar werden, wer welchen Anteil am Erfolg hat. Vermutlich sind Formel 1 und Computerschach keine Sportarten wie Fechten und Fußball mehr.

PS: Ich hätte ebensogut Skispringen als Beispiel wählen können: Auch hier gelingt die Siegerehrung nicht recht, wenn die Windböen den ersten Platz, das Körpergewicht Platz 2 und das Brettwachs Platz 3 belegen - von  Bindungstyp, Skibeschaffenheit und speziellem Anzug einmal abgesehen, die mittlerweile kontrolliert werden.

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