3. August 2011

Alltag III - Über verschiedene Arten des Kommen

Der Urlaub ist vorüber und der Alltag beißt mir gleich in den Magen. Aus aktuellem Anlass - ich bin momentan auftragslos - möchte ich die alte Weisheit in Erinnerung rufen, dass ohne EinKOMMEN kein AusKOMMEN möglich ist.

Wenn im kapitalistischen Schlaraffenland der eigene Broterwerb nicht (mehr) funktioniert, herrscht bei jemandem wie mir bald der "totale Aufruhr" in der Seele. Erst gestern bestieg mich kurz eine Panikattacke, die nicht sein müsste (siehe unten). Zur globalen Finanzkrise gesellt sich die ganz private Krisenstimmung: Wovon bezahle ich, nicht nur rhetorisch gefragt, meine Rechnungen, wenn der Geld-Fluss ausgetrocket ist?! Jahrelang ging es gut, ich hatte ausreichend verdient. Nun sind die Ersparnisse quasi aufgebraucht. Das ideologische Motto "Erfolg macht Spaß" (so heißt eine Gruppe im Netzwerk "XING") trifft nur zu, wenn der Erfolg nicht behindert ist. Aber keine Angst, dieser Wortbeitrag hier ist kein Spendenaufruf!

Als 38-Jähriger darf ich laut Sozialstaat exakt 5.700 € Vermögen (150 € pro Lebensjahr) besitzen, ohne es vor Sozialhilfe-Inanspruchnahme aufbrauchen zu müssen. Ich war also darauf bedacht, mich erst dann arbeitslos zu melden, wenn ich diese Grenze unterschritten habe und somit nicht mehr vom "Arbeitszentrum" abgewiesen werden kann. Ich hatte auf meinem Schmelz-Sparbuch einige Tausender, aber die sind mittlerweile drauf gegangen. Als teuflich erwiesen sich, welch böse Überraschung, meine  Kapitallebens- und meine private Rentenversicherung, weil ich beide zurückkaufen könnte (sog. Prämienrückgewähr). Diese ca. 2 x 2.000 € Rückkaufswert zählen nämlich zum Vermögen hinzu, so dass ich diese Versicherungen erst mal hätte auflösen und verwerten müssen. Irre! Sie sollten meine nötige private Altersvorsorge darstellen angesichts meiner Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht. Übrig blieb mir nur der Trick auf den letzten Drücker, einen  "Verwertungsverzicht" zu erklären, womit ich vor dem Renteneintrittsalter nicht mehr an diese Geldanlagen herankomme. Ufff.

Ich habe mich also am 15.07. beim Team für Selbständige und Existenzgründer arbeitssuchend gemeldet. Doch eigentlich meinte ich damit: Geld suchend. Schulden machen ist tabu, ich habe nicht einmal einen rettenden Dispo-Kredit (Segen oder Fluch?!). Dennoch bekam ich erst für den 12.08. (!) einen Termin bei der Leistungsabteilung! Den Termin mit der Vermittlerin - es gilt das AbKOMMEN zu schließen, dass ich alles Menschenmögliche tue, um in Arbeit zu KOMMEN - bekam ich natürlich früher (schon am 05.08.). Auf meine Testfrage, ob ich denn gleich eine Vorauszahlung, einen Vorschuss oder einen Abschlag beKOMMEN könnte, bekam ich ein irgendwie empört klingendes Nein zu hören: Da das Arbeitsamt im Vorfeld nicht wisse, ob ich bezugsberechtigt sei, könne man mir auch kein Geld auszahlen. Was für eine schräge, verKOMMENE Logik. Ich erwartete als erfahrener Arbeitsloser klammheimlich jedoch nichts anderes als diesen Skandal.

Was nützt mir ein so später Termin, wenn ich jetzt (!) pleite bin, unabhängig davon, dass ich zwar mein festgefrorenes Vermögen behalten darf, aber nicht mehr an es heran kann?! Ich wurde von Seiten der Sachbearbeiterin des Weiteren darauf hingewiesen, dass nach der Antragstellung noch einige Wochen lang nix passieren wird, also die "Stütze" auf sich warten lässt. Hallo?! Wozu beantrage ich als auftragsloser Freiberufler denn Sozialersatzleistungen, wenn ich sie dann nicht beizeiten bekomme?! Woher das Geld nehmen wenn nicht stehlen?! Es stärkt das eigene Selbstwertgefühl nicht gerade, eventuell sein privates Umfeld anpumpen zu müssen. Wie soll man sich auf die Jobsuche konzentrieren, wenn einem die Mittellosigkeit zu schaffen macht?! Von der Menge an Fragebögen und Beweiskopien, die ich bald einreichen muss, mal ganz zu schweigen.

Was denken sich die Sozialstaat-Verantwortlichen eigenlich?! Zwar werde ich rückwirkend meinen Hartz4-Satz erhalten, wenn die Bedürftigkeit offiziell festgestellt ist, aber es sollte doch nicht so schwer sein, einen zinslosen Sofort-Kredit per Vorauszahlung zu gewähren! Wenn ich durch die Maschen des Sozialnetzes fallen sollte, weil ich angeblich zuviel Geld besitze, dann wäre die Rückzahlung ein Leichtes. Wenn ich aber zurecht als mittellos erkannt werden würde, wäre die Soforthilfe genau richtig gewesen. Liegt es daran, dass ich als Freiberufler nicht freiwillig in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt habe?! Will das Jobcenter, dass ich gezielt einige Wochen Existenzangst durchlebe?! Mir kommt es fast so vor. Denkbare Strategie wäre: Wir verweigern diesem gierigen Bittsteller erst mal das Geld, er soll sich gezwungen fühlen, schnell einen Beliebig-Job anzunehmen und durch gesteigerte Abhängigkeit gefügig gemacht werden.

Weg mit der Angst vor der Armut: Mir fehlt doch "bloß" das AufKOMMEN an Aufträgen.

2 Kommentare:

  1. Tja lieber Fechtbruder- leider beweissen Deine Zeilen wieder einmal, dass es hier und heute nicht daruf ankommt, dass man etwas ist oder zu etwas geworden ist wie bei Dir (ohne Job und Einkommen) sondern viel mehr ob man das Spiel und die Regeln kennt um das Spiel spielen zu können. Der Kardinalfehler dieser Zeit: die Regeln werden von denen erstellt die es nicht betrifft- im Gegensatz zur Sozialgesetzgebung der 20 iger Jahre um drückende Armut schnell abzumildern. Das soll jetzt nicht heissen, das damals die Gesetze von den Arbeitslosen gemacht wurden- nein auch wieder von Politikern, jedoch mit dem Hintergrund das diese sonnst verschwunden wären. Was nützen Dir nun diese schlauen Worte in Deiner Situation?? Zwei Dinge vielleicht: 1. wer ist Dein Gegner?? Du bist schlauer- einen aufgesetzten Prozess den ein Sachbearbeiter bearbeitet und nur diesen kennt der, kannst Du nur durch einen dem übergeordneten beschleunigen. Nur wo steckt dieser?? Also bist Du für das nächste Zeit gezwungen statt DIch um Deine Eigenständigkeit zu bemühen, Deine Kraft auf die Erschliesung der Geheimnisse der ARGE zu konzentrieren. 2.wisse dass Du allein bist- ein Phänomän unserer Zeit wenn es um Besitzstände geht. Überdenke das Thema Wertschöpfung/ Nachhaltigkeit. Übrigens: Jammas- trinke gerade lecker Kreta Raki wenn ich Dir schreibe. Bis zum 27- ich hoffe Du bist dabei- Heiko

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  2. Hallo Heiko,

    natürlich bin ich dabei am 27.08. zum Strandfechten. Wer hätte gedacht, dass Du in Deinem Urlaub auf Kreta nix besseres zu tun hast als im Internet zu lesen?!

    Ja, ich lasse mich nicht unterkriegen von der Bürokratie, die mich tatsächlich zeitlich in Beschlag nimmt. Mein Motto ist: Erst die Knete (ALG2-Zahlungen) und somit das Überleben sichern, dann sorgenfrei einen Job bzw. Auftrag suchen.

    Ich hatte heute eine wirklich nette und verständnisvolle Sachbearbeiterin mir gegenüber sitzen. Ich werde also etwas zu Beißen haben! Ich brachte ihr sogar ein Fremdwort bei ("proaktiv"), welches sie nicht kannte. :-)

    Ich danke Dir für deine aufmunternden Worte. Könntest Du das mit der "Wertschöpfung" noch etwas genauer erläutern, ich habe es nämlich nicht ganz verstanden. Ich bin allein (Individuum) und auch wieder nicht (Partnerin). Meinst Du damit, es gibt nicht nur das Materielle, was aufbaut?! Gruß, Frank

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