1. Dezember 2011

Kein echter Nachruf

Wieder sind unzählige Menschen heute gestorben, auf natürliche oder gewaltsame Weise. Darunter auch Christa Wolf, "eine der bedeutendsten Schriftstellerinnen der deutschen Nachkriegszeit". Sie wurde 82 Jahre alt und durfte somit 6 Jahre länger leben als meine Oma väterlicherseits. Glückwunsch! Wie nicht anders zu erwarten war, gibt es verständlicherweise schon erste Nachrufe, in denen die Befragten ihre Trauer zum Ausdruck bringen und Ehrerbietung zollen.

Diese mediale Reaktion voller bekundeter Emotionen auf Wolf´s Tod löste in mir wie jedes Kondolenzschreiben oder jede Todesanzeige zuvor stille Fragen auf, die nicht die gestorbene Person und das Gedenken ihrer Leistungen betreffen, sondern sich an die Weiterlebenden richtet: Warum seid ihr so überrascht und tief betroffen von der Todesnachricht?! Wusstet ihr nicht, dass jeder eines Tages stirbt und C. W. schon betagt war?! Sollte man nicht den Toten lieber zu dessen Lebzeiten mitteilen, was er einem bedeutet?! Haben nicht alle Gestorbenen eine Würdigung verdient?! Worin genau besteht euer Verlust?!

Ich bin nicht wirklich traurig über Christa Wolfs Tod. Nicht allein, weil ich sie nicht privat kannte und emotional nicht an ihr hänge. Auch nicht, weil es ihr nicht hilft und sie den gruseligen "Übergang" schon hinter sich hat. Sie hatte ihr langes Leben ausgekostet und durchschritten, bis es nicht mehr ging. Es gibt da keine verpasste Zukunft oder noch ungeschriebene, verloren gegangene Bücher, denn jede/r stirbt zu seinem individuellen Zeitpunkt. Deshalb!

Und vielmehr: Sie war schöpferisch tätig, ihr literarisches Werk bleibt bestehen. Davon kenne ich nur den Roman "Kindheitsmuster", den ich nicht ganz ausgelesen hatte, weil er damals zu schwere Kost für mich darstellte. Sie hinterlässt mehr als andere, was tröstlich sein müsste. Traurig finde ich es eher, dass Menschenleben schnell in Vergessenheit geraten, die nicht  in der Öffentlichkeit standen. Aber dafür kann Christa Wolf wiederum nichts.

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